Interne Kommunikation im Wissenszeitalter

Dies ist ein weiterer Ausschnitt aus einem Essay mit dem Titel „Interne Kommunikation auf der Suche nach dem Unternehmenswissen

Wissensmanagement wie wir es bisher mehrheitlich in Unternehmen anwenden, basiert auf einem Konzept, in dem das Horten von Wissen weiterhin Macht bedeutet und das Teilen von Wissen eher zum eigenen Nachteil führt. Das ist kein ungewöhnlicher Eindruck aus der jüngsten Vergangenheit und passt in eine hierarchische Struktur innerhalb eines Unternehmens, dessen komplette Struktur aus dem Vor-Informationszeitalter stammt. Andererseits ist die Einsicht, dass Wissensmanagement mehr sein kann und wohl müsste nicht ganz so jung.

Der berühmte Philanthrop und einer der reichsten Männer seiner Zeit, Andrew Carnegie, stellte bereits fest:

“The only irreplaceable capital an organization possesses is the knowledge and ability of its people. The productivity of that capital depends on how effectively people share their competence with those who can use it.”

Danke für das Kompliment

In den bekannten Strukturen jedoch gibt es nur eine Richtung für den Fluss von Informationen und eventuell Wissen: Von oben nach unten.

Auf dem Weg nach unten gab es im Laufe der Zeit immer mehr Engpässe. Schließlich nahm die quantitative Informationsmenge wie auch die Qualität des Wissens deutlich zu, während sich die Strukturen denen dieses Wissen eigentlich zugutekommen sollte starr geblieben sind und nicht die nötige Kreativität aufgebracht haben, sich der Komplexität einer freien Wissenswelt anzupassen.

Social Media trifft auf Wissensmanagement

Auf den ersten Blick erscheint der Hintergrund von Social Media und Wissensmanagement ähnlich zu sein. Es handelt sich jeweils um ein Szenario in dem Menschen Technologie einsetzen, um an Informationen zu kommen. Beide setzen voraus, dass Menschen ihr Wissen oder Informationen austauschen. Beide sind sich bewusst, dass eine hierarchiefreie Zusammenarbeit eine condicio sine qua non für ihren Erfolg darstellt.

Die folgende Gegenüberstellung stammt von Dr. Alexander Stocker und beschreibt zum einen die Ziele traditioneller Wissensmanagementansätze und zum anderen Ziele von Projekten zur Einführung von Social Software im Unternehmen. (Stocker 2011)

Wissensmanagement:

  • Schaffung einer organisationalen Wissensbasis
  • Erleichterung des Zugriffs auf Wissen
  • Benennung von Wissen als wichtige Ressource für Unternehmen und als Vermögenswert
  • Kodifizierung von Wissen und Speichern in einer Datenbank
  • Unterstützung des Wissensaustauschs über Face-2-Face Kontakte
  • Sichtbar machen von Wissen im Unternehmen

Ziele von Projekten zur Einführung von Social Software im Unternehmen:

  • Schaffung einer effizienten und ziel-orientierten Mitarbeiterkommunikation und Vermeidung von Information Overload
  • Erreichung von effizientem Wissenstransfer
  • Etablierung von Expertennetzwerken
  • Erreichung von Mitarbeiterpartizipation und der Schaffung einer offenen Kultur
  • Gesteigerte Awareness und Transparenz
  • Unterstützung des Innovationspotenzials und Sicherstellung der Lebensfähigkeit einer Organisation

Soviel zur formalen Betrachtungsweise. Es gibt jedoch einen wesentlichen Unterschied zwischen beiden Welten.

Traditionelles Wissensmanagement spiegelt eine hierarchische Ansicht des Wissens wider, die mit der hierarchischen Ansicht der Organisation übereinstimmt. Wissensmanagement im Unternehmen ist bisher im besten Fall ein Zustand in dem die Führungsebene darüber entscheidet, was der Einzelne zu wissen hat. Das hängt natürlich wiederum davon ab, was als wichtiges Wissen von einigen Wenigen eingestuft wird.

Demgegenüber radikal konträr bewegen wir uns in der Social Media Welt. Die Macht der kollektiven Intelligenz bekommt hier die Möglichkeit sich zu entfalten. Hier entscheidet – neben dem technischen – der entscheidende „menschliche“ Filter über die Wichtigkeit der Inhalte. Ich vertraue dem Wissen meiner Freunde, meiner Community, meiner Kollegen in einem Netzwerk von Gleichgestellten. Die Bedeutung der Communities – in diesem Zusammenhang der internen Communities – die auf Selbstorganisation und je nach Abstufung auf Freiwilligkeit basieren, kann gar nicht hoch genug bewertet werden.

Die Macht der (internen) Communities

Social Media beweist seine Überlegenheit in Communities, die im Bereich Wissenskreation, -bewertung, -vermehrung, -selektion und -teilung Vorteile gegenüber zentralistisch eingeführten Systemen aufweisen. Und in der Betreuung, Unterstützung und Förderung dieser Communities kann die Interne Kommunikation (Mitarbeiterkommunikation!) einen qualitativen Sprung vollbringen, der sie aus dem Rand in das Zentrum der Unternehmen bringen könnte.

Diese überspitzte Darstellung zielt auch darauf ab, die Rolle der Internen Kommunikation nicht mehr ausschließlich hierarchisch zu definieren, sondern eingebettet im Organisationsnetzwerk. Dort sorgt die Interne Kommunikation dafür, dass der Austausch über alle Ebenen hinweg an Wissen und Informationen konstant hoch bleibt, und somit die Maschinerie jederzeit „wie geschmiert“ läuft.

Meine Vereinfachung auf den Begriff der internen Communities, lehnt sich zwar an den Community of Practice (CoP) Ansatz, ohne jedoch die Unterscheidung zu den Wissensnetzwerken einzuführen, wie sie korrekterweise erwähnt werden sollte. „Während in einer CoP zumeist Selbstorganisation und Freiwilligkeit in den Mittelpunkt gerückt werden, handelt es sich bei den Wissensnetzwerken um ein organisatorisches Hilfsmittel, welches dazu dient, Experten zu strategisch wichtigen Themen gezielt zu vernetzen und damit virtuelle Zusammenarbeit zu ermöglichen.“ (GfWM, 2011: 6)

Das kontrollierte Wissen

Es sollte offensichtlich sein, dass dies mehr als nur eine einfache Änderung darstellt. Traditionelle Wissensmanager, Führungskräfte, Software-Berater führender Technologieunternehmen setzen alle möglichen Hebel in Bewegung, jeden auch nur ansatzweise vordergründig unkontrollierten Ansatz von Wissens- und Meinungsbildung zu unterdrücken, weil es ihre eigenen Interessen stören könnte.

Wer heutzutage noch glaubt, Kontrolle sei eines der wesentlichen Merkmale einer Führungskraft, um hochqualifizierte Mitarbeiter zu motivieren, ignoriert dabei unter anderem die Tatsache, dass jeder Einzelne die Möglichkeit hat mit einfachsten Mitteln seine Meinung kundzutun – ob mit oder ohne Einwilligung –  und vor allem, dass nicht die Kontrolle zu effizienteren Projektergebnissen führen wird, sondern die Rolle als Kommunikator, Vermittler, Motivator, Wissensentdecker und –förderer.

Wir sind das Wissen!

„Wir sind das Wissen und wir entscheiden wer, was zu sagen hat“, ist eine Grundhaltung, die sich nicht mit einem Enterprise 2.0 vereinbaren lässt. Daher haben diejenigen Recht, die befürchten Enterprise 2.0 habe revolutionäre Ansätze. Und daher haben auch diejenigen Recht, die behaupten, dass gerade in diesen Strukturen eine Revolution unter dem Deckmantel der Evolution erfolgen muss, falls die Erfolgsaussichten nicht von vornherein ins Bodenlose fallen sollen.

Dabei ist jene (soziale) Revolution nichts Besonderes. Systemtheoretiker nennen es einfach nur Selbstorganisation. Es ist die Fähigkeit, „sich durch Schaffung ganz neuer Strukturen und Verhaltensweisen komplett zu ändern.“ (Meadows 2010:185)

Die Akzeptanz der Selbstorganisation

Selbstorganisation beschreibt die Fähigkeit eines Systems, sich zu strukturieren, neue Strukturen zu schaffen, zu lernen oder sich zu diversifizieren. Ein Unternehmen ist eine Organisation und somit ein System, das sich – will es den Entwicklungssprung zum Enterprise 2.0 machen – der Selbstorganisation bedienen sollte.

„Selbstorganisation bringt Heterogenität, Unberechenbarkeit und oft auch völlig neue Strukturen und Vorgehensweisen hervor. Sie braucht Freiheit, Experimente und ein gewisses Maß an Unordnung. Einzelpersonen und Machtstrukturen empfinden diese die Selbstorganisation fördernden Bedingungen oft als bedrohlich.“ (Meadows 2010: 99)

Diese Art der Organisation zu verstehen erscheint schwierig; sie in traditionellen Industrie-Unternehmen zu akzeptieren, deren Management-Ebene in überholten Denkstrukturen gefangen ist, erscheint geradezu utopisch. Selbstorganisation kann zwar unterdrückt, nicht aber völlig verhindert werden ohne über kurz oder lang das System selber zum Einsturz zu bringen.

Wissen „managen“ vs. Wissen teilen

Wir haben es geschafft Computernetzwerke zu schaffen, sie unternehmensintern zu verbinden und haben darüber ein Kontrollsystem gelegt, das wir nun den menschlichen Netzwerken auferlegen möchten. Wir stecken Kabel in Computer und sagen ihnen, was sie zu tun, wie sie Informationen auszutauschen und was sie mit wem zu teilen haben. Alles dreht sich in dieser Datei-zentrierten Welt um Kontrolle. Anders als bei Computern jedoch ist der Wunsch nach sozialer Kommunikation und Vernetzung dem Menschen ein immanentes Bedürfnis.

Teilen

Das „alte“ Wissensmanagement ist gescheitert, weil es Wissen als transplantierbares Gut definiert, das man zentral bereitstellt. So sind die berüchtigten Datenfriedhöfe oder auch Datenmanagementsysteme entstanden, die Unmengen an Informationen oder explizitem Wissen horten und wahrscheinlich auf ewig für sich behalten werden. Das „alte“ Wissensmanagement will Wissen managen. Hierbei ist „managen“ ein euphemistischer Begriff für „kontrollieren“.

Ein Pionier der modernen Managementlehre, Peter F. Drucker, sagte dazu: „You can’t manage knowledge. Knowledge is between two ears and only between two ears.”

Die kopernikanische Wissenswende

In einem Enterprise 2.0 ist der Mensch das Zentrum, nicht die Datei oder das Dokument. Diese kopernikanische Wende stellt alles bisher Dagewesene in Frage. Es geht darum die Menschen zu verbinden, nicht mehr ausschließlich die Dokumente. Die Technologie-Experten geben uns die Werkzeuge – und die sollten so einfach handbar sein, wie die uns bekannten außerhalb des Unternehmens. Die nächste Generation der Mitarbeiterkommunikatoren sieht es als ihre Aufgabe an, die Mitarbeiter – also Wissensträger – zu verbinden.

Das „alte“ Wissensmanagement fordert Wissensbereitstellung ein ohne ein Publikum zu schaffen. Mit anderen Worten: Ich will eine Anerkennung für das Bereitstellen, Teilen meines Wissens erhalten. Hier scheint intrinsische Motivation erfolgreicher zu sein als extrinsische. Dazu müssen aber zuerst einige Grundbedürfnisse abgedeckt sein. Mein Wissen macht mich zum Experten, der durch das Teilen eben dieses Wissens die Anerkennung der Kollegen und Vorgesetzten erhält. Gleichzeitig kann ich auch sicherstellen, dass jeder weiß, wer dieses Wissen hat.

Es scheint immer deutlicher zu werden, dass es nur über die vernetzte Kommunikation und Kollaboration möglich ist, ein nutzbares Bild des Wissens dort zu bekommen, wo es gerade gebraucht wird. Denn eines gilt weiterhin: Wenn ich etwas wissen will, frage ich erst den Kollegen, den ich für einen Experten halte, statt mich in einem Wiki zurecht zu finden.

Und egal wo diese Frage eventuell bereits schriftlich beantwortet worden ist wird es noch sehr oft so sein, dass die Mitarbeiter zuerst diesen Experten kontaktieren werden. Nur wie? Um auch in diesem Fall die richtigen Werkzeuge zu nutzen, kann die Internen Kommunikation 2.0 entsprechende Medienkompetenz vermitteln und  vor allem den Nutzen für den einzelnen Mitarbeiter darstellen. Denn nur wenn ich meinen eigenen Nutzen, der in Verbindung zum Unternehmensnutzen stehen sollte, erkenne, handle ich auch entsprechend.

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